Ein Schwei?tropfen fiel vor mir auf den Weg. Ehe ich das wirklich realisieren konnte, hatte ich schon die n?chsten Schritte gemacht, mein Herz schlug schneller. Die ersten H?henmeter waren noch ungewohnt, aber ich kam schnell in Tritt. Endlich hatte ich wieder Waldboden unter meinen Sohlen. Nach 12 Stunden in Zügen und Bussen, brach ich um 16:45 von der Haltestelle?Zauberwald zur Blaueishütte auf. Endlich war ich wieder in den Bergen unterwegs!
Für die n?chsten 9 Tage wollte ich durch die Berchtesgadener Alpen?von Hütte zu Hütte wandern und einige der sch?nsten Seiten des Gebirges kennen lernen. Jetzt, Mitte September, waren die Schulferien vorbei und der Wetterbericht versprach noch einmal viele Sonnenstunden. Ich war euphorisch!
Wieso die Berchtesgadener Alpen? In diesem ?u?ersten süd?stlichsten Zipfel Deutschlands war ich noch nie, au?erdem lockt die Gegend mit vielen klangvollen Namen. Im Zentrum ragt der Watzmann empor, dieses markante und wundersch?ne, sagenumwobene?Bergmassiv. Er erhebt sich zwischen Berchtesgaden, dem K?nigssee, dem Steinernem Meer und dem Hochkalter.
Wie im vergangenen Jahr in Südtirol war ich allein unterwegs, das hat etwas Meditatives an sich, die Gedanken k?nnen schweifen, man ist frei in seinen Entscheidungen, jedoch ist alles auf ein Ziel ausgerichtet – am Abend an der Hütte anzukommen. Ich mag das sehr, alles ist dabei so einfach und unkompliziert…
Abendbrot hinter der Hütte
Nach 2 Stunden war ich an der Hütte angelangt, hatte aber noch keine Lust auf?die laute Gaststube. Ich nahm ein paar Snacks hinter der Hütte und war ganz und gar?damit besch?ftigt, beeindruckt von der Bergwelt und der Stille, die mich umgab, zu sein. In der Ferne schmiegte sich der Rest des Blaueisgletschers steil an?den Berg.
Die Berge empfingen mich mit einem wundersch?nen ruhigen Abend. Die restliche Zeit bis zum Schlafengehen vertrieb ich mir auf der Hütte. Das Angebot ist, gerade allein, relativ eingeschr?nkt, und so las ich, schrieb Tagebuch und fotografierte ein wenig, bevor ich mich in mein Lager zurückzog.
?ber den Sch?nen Fleck auf den Hochkalter
Die frische und klar Bergluft am Morgen bekam mir richtig gut. Nach einem guten Frühstück wanderte ich beschwingt los. Die erste steile Ger?llrinne brachte mich geh?rig ins Schwitzen, auch wenn es noch kühl und wolkenverhangen war. Der Fels war noch feucht und so musste ich bei der ersten leichten Plattenkletterei (II) besonders aufpassen, dass mir meine Tritte nicht wegrutschten.
Ich setzte mich auf die scharfe Gratkante des Sch?nen Flecks im Reitersitz und verschnaufte kurz, bevor ich weiterging. Von hierhaus konnte ich zum ersten Mal den Watzmann sehen. Sein Grat mit mit Hocheck, Mittel- und Südspitze war wolkenverhangen. „Hoffentlich wird das in ein paar Tagen anders aussehen…“, dachte ich bei mir…
Dem Gratverlauf folgend stapfte ich aufmerksam Richtung Klein- und anschlie?end zum Hochkalter. Einige Kraxeleinlagen waren zu überwinden, die Schlüsselstelle bildet eine 10-15 m Hohe Wand (II), die jedoch gut mit Tritten und Griffen ausgestattet ist. Aber trotzdem – der Fels war feucht, Vorsicht war geboten.
Vom Grat hatte ich das erste Mal den Blick, der mich bei der Recherche zu dieser Tour so beeindruckt hat. Von oben schaute ich aufs Blaueis. Der Gletscher sieht von hier aus extrem steil aus, so wie er an der Felswand klebt. Ein unglaublicher Blick und definitiv ein?Highlights.
Nach einiger Zeit der Gratkraxelei sah ich den Hochkaltergipfel und stand kurz sp?ter drauf! Gemeinsam mit einigen anderen Wanderern machte dort gemütlich Rast (wenn sich auch die Aussicht nicht besserte…) und stellte mich mental auf einen stundenlangen?steilen Abstieg ein…
3,5 Stunden elendiger Abstieg
Der Abstieg durchs Ofental ist nicht ohne. Zun?chst geht es steil, zum Teil kletternd bergab. Der Fels war scharfkantig und nach kurzer Zeit waren meine ?H?nde geschunden und ich hatte Risse und kleine Wunden. Der Weg war mit einer feinen Ger?llschicht überzogen, sodass ich bei jedem Schritt eine kleine Lawine ausl?ste. Einmal traf sie auch eine Gruppe, die im Aufstieg unterwegs war. Ich holte mir zurecht einen Anranzer ab, weil ich erst relativ sp?t „Stein“ rief.
Ich war voll fokussiert. Wenn ich auf dem Ger?ll wegrutschte, ermahnte ich mich selbst zur?Vorsicht.
Im Ofental selbst war es unglaublich still. Wenn ich Halt machte, war nichts zu h?ren au?er ich, der noch ein paar Sekunden weiter laut atmete. Keine V?gel, kein Wind, keine Stimmen. Einfach nur die pure Ruhe.
Ich surfte ein riesiges Ger?llfeld hinab, in dem ich mich ein paar Mal abfangen musste um nicht zu fallen. Hat immer – bis auf einmal – geklappt.
Mit der Zeit wurde es grüner, was jedoch den Weg nicht unbedingt einfacher werden lie?. Der Weg war rutschig, die Steine waren nass und ich musste h?llisch aufpassen, nicht auszurutschen.
Auf einmal rutschte ich auf einem losen Stein aus, konnte mich gerade so noch mit den St?cken abfangen und fiel nicht – aber es machte kurz aber bestimmt Knack und mein einer Stock war gebrochen. Ich guckte nur ungl?ubig auf die Bruchstelle und war demotiviert. Ich fluchte nicht, es h?tte eh nichts gebracht. Der Abstieg verlangte mir einiges ab,?ich musste zu jeder Zeit h?llisch aufpassen… Nach der Euphorie des Vortags war ich jetzt wieder auf dem Boden der Tatsachen. Ich war geknickt und meine Gedanken spielten verrückt…
Ich trottete vor mich hin.
Der Weg war so demotivierend. Die Talsohle kam einfach nicht n?her. Man sah sie irgendwann vor sich, aber sie kam nicht n?her.
Der letzte Teil führte durch Wald, der Weg wurde einfacher und flacher. Endlich.
Nach 3 Stunden kam ich unten an. Hier grasten Kühe, Spazierg?nger waren unterwegs und die Welt schien in Ordnung.
Ich lief zurück zum Hintersee, steckte meine müden Fü?e ins kalte Wasser und entspannte mich noch ein wenig, bevor ich nach Berchtesgaden zurückfuhr um die Nacht im Hostel zu verbringen und am n?chsten Tag, Montag, dann so richtig?loszulegen.
Auf den Grünstein
Am Morgen fühlte ich mich wider Erwarten ganz gut. Ich war abends so fertig, dass ich mich kaum noch aus dem Bett bewegte.
Jetzt sa? ich im Bus nach Sch?nau, um von dort über den Isidor-Klettersteig auf den Grünstein zu steigen. Der Morgen war noch neblig, aber mit jedem H?henmeter Richtung Zustieg wurde es klarer und die Sonne w?rmte mich.
Am Einstieg des Kletterteigs traf ich wieder eine Gruppe, stieg aber vor ihnen ein.
Der Steig war nicht ohne.?Er war als Sportklettersteig deklariert, d.h. es ging oftmals senkrecht an der Wand hoch, manchmal leicht überh?ngend. Mit meinem vergleichsweise schweren Rucksack mit Gep?ck für eine Woche war das schon eine Herausforderung. Die Sonne knallte mittlerweile richtig von oben und ich war bald nass. Und wenn nass sage, dann meine ich nass… So richtig.
Langsam erschienen die Spitzen des Watzmann über dem Wald. Je h?her ich stieg, desto sch?ner wurde der Blick auf Watzmann, seine Frau und die Kinder.
Der Steig schl?ngelte sich weiter durch die Wand, es war anstrengend. Ich würde einen Sportklettersteig wohl nicht noch einmal als Teil einer Hüttentour machen. Unter der Woche macht er bestimmt Spa? – wenn man ihn denn als Sport sieht, aber so… Nein, das war mehr Schinderei als Genuss.
Auf einer Rastbank pausierte ich eine ganze Weile um danach den Schlussanstieg zum Gipfel auf mich zu nehmen.
Am Gipfel selbst hielt ich mich nicht lange auf, ich sehnte ein kühles Getr?nk auf der Grünsteinhütte herbei und beeilte mich mit dem Abstieg.
Hinter der Hütte versenkte ich mich in einem Wasserfass, hing mein T-Shirt in die Sonne und ruhte mich eine geschlagene Stunde aus!
Als ich wieder losging, kam ich genau in eine Gruppe hinein, die auch auf meinem Weg war. Wie sich schnell rausstellte war es die gleiche Gruppe, die mit mir am Einstieg des Klettersteigs standen und sogar die gleiche Gruppe, die ich tags zuvor am Hochkalter mit einer Ger?lllawine eingedeckt hatte… Oh man, ich entschuldigte mich nochmals vielmals… Ich kam schnell mit den fünf Thüringern ins Gespr?ch und da sie das gleiche Ziel hatten wie ich – das Watzmannhaus – liefen wir zusammen.
Der Weg war herrlich. Sanft ansteigend ging es über weichen Waldboden, der von Wurzeln und Steinen durchzogen war, Richtung Kühroint-Alm. Von da etwas anspruchsvoller weiter Richtung Watzmannhaus. Wir gingen über den Falzsteig, wo noch einmal Kraxeln angesagt war und stiegen den restlichen Weg über Serpentinen zum Watzmannhaus auf.
Ich merkte erst jetzt, dass ich richtig Hunger hatte… Die Brettljause tat richtig gut… Den Abend verbrachten wir mal zusammen, mal nicht, ich las, fotografierte, schrieb Tagebuch… Was man halt so macht auf einer Hütte.
Für den kommenden Tag, den Tag an dem ich den Watzmann überschreiten wollte, war blendendes Wetter vorhergesagt. Das beruhigte mich sehr, denn das Wetter muss definitiv passen auf so einer langen und anspruchsvollen Tour. Leider gab es auf der Hüte Fundstock und so musste ich wohl oder übel mit nur einem Stock über den Watzmann. Ich war gespannt…
Ob ich über den Watzmann heil rübergekommen bin und wie es danach auf meiner Wanderung weitergeht, schreibe ich in Teil 2 des Berichts.
Was für wunderbare Bilder. Um diese tolle Erfahrung beneide ich Dich sehr.
Liebe Grüsse,
Isabelle
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Mensch, der erste Kommentar auf diesem Blog – danke Isabelle! ?
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Sehr gerne. ?
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